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Alternative Auswertungen Rußzahlmessung

Seit mehr als 50 Jahren wird die Rußzahlmessung nach Bacharach angewandt. Auch heute noch ist sie bei der Überprüfung von Feuerungsanlagen regelmäßig anzutreffen. Das Prinzip des Verfahrens ist recht einfach: Rauchgas wird durch ein weißes Filterpapier gesaugt und die entstandene Schwärzung wird visuell mit einer Rußzahl-Vergleichsskala verglichen.

Aus messtechnischer Sicht ist das Verfahren längst veraltet, da (i) der Arbeitspunkt heutiger Feuerungsanlagen bei RZ ~ 0 liegt und (ii) die Auflösung der Bacharach-Skala 1 RZ-Einheit beträgt.

Digitale RZ-Messgeräte gibt es natürlich, sie sind aber weniger robust und erheblich teurer, sodass sie sich (noch) nicht breitflächig durchsetzen konnten.

Zielsetzung

Leicht ist es nicht, aber mit viel Erfahrung kann in der Bacharach-Skala visuell interpoliert werden. Doch wie zuverlässig sind diese Schätzwerte? Gibt es eine Methode die Schätzwerte zu objektivieren?

Dieser Beitrag analysiert zwei alternative und objektive Methoden zur Bestimmung der Rußzahl aus der Schwärzung des Filterpapiers. Beide bilden Vergleichsskala und Filterpapier gemeinsam ab und bestimmen digital die Luminanz. Der Unterschied liegt im Abbildungsgerät: Scanner bzw. digitale Kamera.

Verwendete Messmittel:

  • Rußpumpe Brigon
  • Digicam Nikon Coolpix P7000
  • Scanner Epson Perfection V370 Photo
  • Photoshop CS4

Referenzmethode nach Bacharach

Der Messbereich geht von RZ=0 bis RZ=9, bei einer Auflösung von 1. Das Messergebnis entsteht durch visuellen Vergleich des geschwärzten Filterpapiers mit der Bacharach-Skala und Zuordnung der entsprechenden Rußzahl. Die Methodenspezifikation in ASTM:

  Wiederholbarkeit (Repeatability): 2sd = 0,5 RZ
  Reproduzierbarkeit (Reproducibility): 2sd = 1 RZ
  Systematischer Fehler (Bias): 2sd = (unbekannt)

Details und Referenzen ...

Alternative Methode: Digital aus Scan oder Foto

Der Filtermessstreifen und die Vergleichsskala werden gemeinsam in ein digitales Bild gewandelt. Scanner und Digicam verwenden dabei das gleiche Sensorsystem - ein CCD-Array.

Die Definition der Rußzahlen basiert auf eine lineare Stufung des Reflexionsvermögens. Die Betonung liegt hier auf "linear". Es war das besondere Anliegen, diese Linearität in der gesamten Verarbeitungskette zu erhalten und als Qualitätsmerkmal heranzuziehen. Im Standardfall sind alle digitalen Bilder nichtlinear, da sie die Gamma-Korrektur enthalten. Wie diese Korrektur ausgeschaltet wird, findet sich in der Methodenbeschreibung.

Das System ist linear wenn aus dem unmittelbare Messwert (ohne Kalibration) RZ_roh, mit der Gleichung RZ = k * RZ_roh + d, die Rußzahl RZ hervorgeht.

Nach Vermessung der Rußbildskala und Berechnung der RZ_roh-Werte ergab die lineare Regression folgende Koeffizienten:

 

  k d R2 sd
Scanner 1,2488 0,2505 0,9934 0,261
Digicam 0,9591 -0,0786 0,9991 0,098

 

Das Bestimmtheitsmaß R2 von 99% zeigt, dass beide Systeme linear sind. Die Digicam ist allerdings merklich linearer, so beträgt die mittlere Abweichung vom linearen Prognosewert RZ zum wahren Wert RZ nur 0,098 RZ-Einheiten, beim Scanner beträgt die mittlere Abweichung 0,261.

regression
Abb 5.1: Lineare Regression mit 95% Vertrauensbereichen von RZ_roh vs RZ. Rohmesswerte der Bacharach Vergleichsskala 0 … 9. Links: aufgenommen mit Scanner. Rechts: aufgenommen mit Digicam

Die Signifikanz des Unterschiedes der Roh-Messwerte wird mit dem gepaarten t-Test nach Student beurteilt. Die Normalitätsvoraussetzung ist erfüllt, der Shapiro-Wilk-Test gibt ein p=0,258 > 0,05 an:

t-Test

Die Roh-Messwerte der Vergleichsskala von Scanner und Digicam haben eine mittlere Differenz von -1,4 RZ-Einheiten bei einem Standardfehler von ±0,242 RZ-Einheiten. Bei der Annahme der Nullhypothese – es gibt keinen Unterschied – tritt so eine Differenz, durch Zufall gesteuert, nur äußerst unwahrscheinlich auf (p < 0,1%). Es ist daher die Alternativhypothese, die Methoden liefern unterschiedliche Roh-Messwerte, anzunehmen.

Für die Messwerte selbst gilt diese Aussage nicht zwangsläufig, da die Rohwerte ja kalibriert werden und damit der Einfluss der Nichtlinearität eliminiert wird.

Schauen wir uns die kalibrierten Messwerte an. Die untenstehende Tabelle stellt die Ergebnisse der Messung 181102 gegenüber:

 

Messung RZ_Scanner RZ_Digicam
Nr 1 0,41 0,57
Nr 2 0,50 0,57
Nr 3 0,51 0,68
Mittel 0,47 0,61
sa 0,06 0,06
vk 12% 10,5%

 

Der Scanner misst eine mittlere Rußzahl von 0,47 und die Digicam misst RZ=0,61. Die Streuung ist ähnlich. Wer hat recht bzw. ist der Unterschied von ca. 0,1 Rußzahl-Einheiten überhaupt signifikant?

Der t-Test bietet sich auch hier an, ist aber bei einer Stichprobe von 3 nicht unproblematisch. Die Normalität kann nicht mehr geprüft werden, sie muss vorausgesetzt werden.

Die Voraussetzung ist aber begründet durch die Ergebnisse des Linearitätsvergleiches. Die Rohmesswerte der Vergleichsskala waren normalverteilt. Eine lineare Kalibrierung – Stichwort lineare Transformation – ändert die Normalverteilung nicht. Daher sind auch die kalibrierten Messwerte normalverteilt.

t-Test der Messung 181102:

regression
regression
Abb 5.2: Vergleich der Rohwerte von Scanner und Digicam mit gepaarten t-Test.

Das ist ein hübscher Zufall, der p-Wert liegt genau auf der Entscheidungsschwelle von 5%. Über die Signifikanz ist somit genau keine Aussage möglich.

Nehmen wir einmal an, es gäbe diesen Unterschied von 0,14 RZ-Einheiten wirklich. Wäre er relevant? Für die visuelle Bewertung mit der Vergleichsskale, die eine Auflösung von 1 RZ-Einheit hat, sicherlich nicht. Kommerzielle Systeme, in der Preisklasse bis 3000 €, geben häufig eine Richtigkeit von 0,2 RZ-Einheiten an. Für solche Systeme ist es relevant.

Artefakte beim CCD-Scanner

Räumlichen Strukturen machen beim CCD-Scanner Probleme. Das Linienlicht konvertiert ein räumliches Relief in ein Helligkeitsmuster. Die Oberflächenrauigkeit erzeugt ein Helligkeitsrauschen, Verformungen der Ebene erzeugen Sonn- und Schattseiten. Das Rauschen ist noch weniger kritisch, da es durch ausreichend große Messflächen weggemittelt werden kann. Wirklich kritisch sind die großflächigen Helligkeitsmodulationen durch Ebenenverformungen.

Die diffuse Ausleuchtung der Digicam-Aufnahme zeigt keines dieser Artefakte:

 

Difuse Ausleuchtung
Abb 5.3: Aufnahmen des Filterstreifens bei diffuser Beleuchtung mit Digicam (oben) und mit Linienlicht des Scanners (unten). Das Streiflicht wandelt Verformungen und Oberflächenrauigkeit in ein Hell-/Dunkelmuster um. Ganz links ist die Aufteilung in 4 Einzel-Messflächen der 3. Messung dargestellt. Die Aufnahmen wurden mit Kontrast und Helligkeit stark bearbeitet, um den Effekt deutlich zu machen

 

Statt eine Messfläche über den gesamten Messpunkt zu legen, wurde bei der folgenden Auswertung der Messpunkt Nr. 3 in 4 Quadranten unterteilt (s. Abb 5.3) und jeder Quadrant für sich vermessen. Der 3. Messpunkt wurde gewählt, da er eine besonders ausgeprägte Delle zeigt. Ergebnisse:

 

Messfläche RZ_Scanner RZ_Digicam
Nr 1 235,70 175,17
Nr 2 212,08 173,18
Nr 3 211,83 176,44
Nr 4 235,35 173,26
Mittel 223,74 174,5
sa 13,6 1,6
vk 6,1% 0,9%

 

Die Rotation der Messfläche verursacht bei der Digicam-Messung einen Variationskoeffizient (vk) von 0,9% und bei der Scanner-Messung einen vk= 6,1%. Das Bespiel zeigt, wie relevant die Auswahl der Messflächen beim Scanner sein kann. Diese Empfindlichkeit zeigt die Digicam-Methode nicht.

Resümee

Sowohl Scanner als auch Digicam sind imstande den Schwärzungsgrad von Filterpapier quantitativ zu messen. Beide Messsysteme sind nach Wahl geeigneter Einstellungen linear im gesamten Messbereich der 10-stufigen Bacharach-Rußskala.

Vorteile des Scanners sind die definierte Probenfixierung und die kontrollierte Beleuchtung. Das Linienlicht des Scanners kann aber Messartefakte durch Schattenbildung bei verformten Filterstreifen verursachen. Nicht immer lässt sich das durch Wahl einer geeigneten Messfläche vermeiden.

Die Vorteile der Digicam sind die ausgezeichnete Linearität und das Fehlen von Messartefakten bei der gewählten, diffusen Beleuchtung. Nachteilig sind die umständliche Probenfixierung und Beleuchtung.

Mit den bisherigen Daten lassen sich die Eckpunkte der Messqualität schon recht gut abschätzen: Richtigkeit besser als 0,2 RZ-Einheiten und Wiederholbarkeit besser als 0,1 RZ-Einheiten. Diese Daten sind durchaus vergleichbar mit kommerziellen Systemen im mittleren Preissegment.

Für die regelmäßige Auswertung von Ruß-Messungen ist der Zeitaufwand zu hoch, aber für das gelegentliche Einholen einer „zweiten Meinung“ sind beide Verfahren geeignet.

Methodenbeschreibungen

 

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